In der Vorweihnachtszeit 2023 gab der amerikanische Großhändler Target bekannt, dass er das Weihnachtseinkaufserlebnis durch künstliche Intelligenz „verbessern“ wolle. Von der Einführung eines KI-gestützten Chatbots „Store Companion“ bis hin zur Einführung eines Vorhersage-System für Bestandsmanagement und der Implementierung einer Marketingplattform namens „Roundel“ beschreibt sich Target selbst als „Retailing des Zukunft“.

Die Realität ist jedoch viel nüchterner.

Eine Sammelklage wirft eine massive Überwachungsaktion hinter dieser „technologischen Revolution“ vor und mutmaßt sogar die Verwendung von Gesichtserkennungssoftware. Eine Klägerin berichtete, dass sie nach einem Einkauf in einem Geschäft in Illinois einen LinkedIn-Hinweis erhielt, dass ein Verlustverhinderungsmanager von Target ihr Profil überprüft habe – eine beunruhigende Übereinstimmung, die Datenschutzbedenken auslöste.

Künstliche Intelligenz, mechanische Arme, AI (6)

Zugleich scheint Targets stolze KI-Strategie keine erwarteten Effekte gebracht zu haben. In den ersten Quartalszahlen für das Geschäftsjahr 2025 fielen die Umsätze um 24,5 Milliarden US-Dollar gegenüber dem Vorjahr und das gesamte Umsatzvolumen sank um 3 %. Auch der Ladenbesuch ging weiter zurück. Dies führte dazu, dass Target seine jährliche Gewinnprognose von positiv auf negativ korrigierte, was unmittelbar zu einem Kurssturz führte.

Obwohl Target die schwachen Geschäfte auf Zölle und „Abkehr von DEI“ zurückführt, bleibt dessen „Lösung“ weiterhin: mehr KI. Das neu gegründete „Office for Multi-Year Corporate Acceleration“, geleitet vom COO Michael Fiddelke, soll „mutiger mit Technologie und KI“ arbeiten und das Bestandsmanagement modernisieren. Doch aus Sicht der Kunden bleiben die Probleme bestehen – Warteschlangen an den Selbstbedienungskassen, leere Regale und ein unordentliches Erscheinungsbild bleiben ungelöst.

„Künstliche Intelligenz kann Bedarf voraussagen und Ausverkauf verhindern“, prahlte CIO Brett Craig im Jahr 2023. Doch nach zwei Jahren hat dieses System die Kundenansprache nicht verhindert.

Die KI-Großoffensive von Target steckt in einer peinlichen Situation: Die beeindruckenden technologischen Erzählungen können die Realität der unbalancierten Geschäftsleitung nicht kaschieren. Im Schatten des abnehmenden Glaubens an die „Allmacht der KI“ steht nun die realistischere Frage: Kann KI tatsächlich einen einstürzenden Großhändler retten?